FKH_Laudatio von Anne Beer 16.09.2022 in Bern: 3. Platz

Generalsanierung Falkenhütte

Constructive Alps 2022

Zum sechsten Mal schrieben die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein Constructive Alps aus – ein mit 50’000 Euro dotierter Architekturwettbewerb, der nachhaltiges Bauen und Sanieren im Alpenraum auszeichnet. Die Jury lud Architekt:innen und Bauherr:innen ein, ihre Bauten aus den Jahren 2017 bis 2021 vorzulegen, die im Perimeter der Alpenkonvention etwas zur Erreichung des Klimaziels «Netto Null» beitragen.

Die internationale Jury hat 2022 sieben Anerkennungen und vier Preise ausgesprochen. Ausgewählt wurden verschiedenste Objekte aus dem gesamten Alpenraum, die für exemplarisches Sanieren und Bauen stehen.

Es gab einen 1.Platz, zwei 2.Plätze den 3.Platz und den Publikumsfavoriten

Laudatio der Fachjury von Constructive Alps

vorgetragen von Jurymitglied Prof. Dipl.-Ing. Architektin BDA, Stadtplanerin, Anne Beer im Rahmen der Preisverleihung von Constructive Alps 2022 am 16.09.2022 in Bern:

„Wir hatten eine der wunderbarsten Begegnungen, zu dritt und durften dort einen Tag verbringen“

Im spektakulären Umfeld, in einem einzigartigen Naturschutzgebiet im Karwendelgebirge, direkt unterhalb der beeindruckenden Nordabstürze der Laliderergruppe, liegt die Falkenhütte auf 1848 m Höhe im Karwendelgebirge. Ein magischer Ort.

Anfang der 20er Jahre in Gruppenarbeit mit viel Einsatz von Ehrenamtlichen erbaut, immer wieder kleinteilig von der Sektion ertüchtigt, in den 60ern einmal stärker erweitert, hat die Falkenhütte über die Zeit und doch stets gleichermaßen Alpinisten und Profikletterer, aber auch Künstler und Architekten angezogen.

2015 wird das Hauptgebäude aufgrund seiner geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt. Aber fast 100 Jahre Nutzung haben auch ihre Spuren hinterlassen.

Die Generalsanierung der Falkenhütte, die der deutsche Alpenverein dann angeht, ist für die Sektion Oberland das größte Umbauprojekt und ein komplexes ineinandergreifen unterschiedlicher Rückbau-, Sanierungs-, Restaurierungs- und Neubaumaßnahmen. Logistisch und inhaltlich anspruchsvoll. In enger Zusammenarbeit von Sektion, Architekturbüro, auch Natur- und Denkmalschutzbehörden und vielen regional engagierten Bau- und Handwerksbetrieben ist dieser einmalige Ort zukunftsfest gemacht worden und hat doch seinen alpingeschichtlichen und kulturellen Charakter halten können.

Im Zentrum der Maßnahmen stand die denkmalgerechte Sanierung der Urhütte, erbaut auf einem Bruchsteinsockel als verschindelter Holzbau.

Technik, Winterraum wurden geschickt ausgelagert, der später angebaute Seitenflügel abgebrochen, ein Ersatzneubau mit Küche, Sanitäreinheiten und Pächterwohnung errichtet. Es konnte von Diesel auf Biogas umgestellt werden. Also wurde auch die alte Energiezentrale abgebrochen und der Ersatzneubau, des zweiten, relevanten Baukörpers, des Schlafgebäudes, dort errichtet.

Der Fußabdruck des alten/ neuen Ortes wurde somit verkleinert. Die neu gewichtete Baugruppe zieht das Ensemble dichter zusammen und überzeugt in der Setzung der Baumassen folglich vorbildlich.

In der Sanierung der Hütte bildet die Herausarbeitung der Baunutzungsphasen der 1920er und 1960er Jahre eine kulturelle Zeitreise ab, die ihresgleichen sucht. Auf Basis präziser Analyse, vorsichtiger Rückbaumaßnahmen und wohl abgewogener Neuergänzungen anhand ganz vieler Details entfaltet sie sich spannend.

Im Bereich der Stube wurden umfangreiche restauratorische Maßnahmen angesetzt. Fries- und Deckenmalereien behutsam gesichert. Fensterstöcke, Täfer, Möbel zum Beispiel um mal die Tiefe der Befassung zu sagen: In historischem grün, nicht deckend sondern für Farbtiefe polychrom wieder aufgebaut. Kredenz, historische Uhr als Zeitzeugen in Funktion gebracht. Aber gleichzeitig entstehen auch die 60er Jahre, nicht unbedingt so geschätzt und gewürdigt, in präziser Abschichtung auf typische Verschalung, Resopaltische, neu gesehen auch authentisch und kraftvoll.

Die Feinheit der Befassung überzeugt durch die gestalterischen Verschränkungen von Geschichte und dem Neuen, der Jetztzeit in der Architekturposition sensibilisieren und machen den Aufenthalt in der Hütte zu einer spannenden Zeitreise auch für die Besucher.

Alle Neubauten sind als Holzbauten auf Betonfundamenten ausgeführt. Typologien und Baukonstruktionen zeigen überzeugend das konsequente Abschichten von Entwurfsentscheidungen zum einfachen Bauen und folgen dabei stets einem hohen architektonischen und handwerklichen Anspruch.

Nur als Beispiel: In der räumlichen Entwicklung sind zum Beispiel die Stockbetten des Schlafhauses in den Blick zur Landschaft regelrecht hineingebaut. Diesen in keiner Kategorie erfassbaren Luxus unterordnet sich bescheiden jede andere Anforderung.

Hütten im Gebirge sollen Trendsetter vom alpinen Bauen sein. Gebote zum Klimaschutz sind hier noch wichtiger. Entsprechend setzt die Falkenhütte sowohl im Rahmen der Umbaumaßnahmen, Materialkonzept, energetische Bewirtschaftung aber auch im Betriebskonzept komplett auf Nachhaltigkeit, Dauerhaftigkeit und weit mögliche Suffizienz.

Selbstauferlegte Beschränkungen im Programm und in den Standards:

Materialentscheidung,
Betriebskonzept,
die Umstellung von Diesel auf das Bioflüssiggas usw.

Es geht aber weiter:

Die Gäste werden hier zur Anreise mit dem ÖPNV animiert. Es gibt einen Bergbus von Lenggries bis zur Engalm.
Im täglichen Versorgen des Gastes:
Er schläft auf der Natur – Latexmatratzen
hat nur GOTS zertifizierte Bettwäsche.
Es gibt ein wunderbares Bewirtungsprogramm „So schmecken die Berge“ um unausweichlich auch dann das Umweltgütesiegel des Deutschen Alpenvereins für ökologische Bewirtschaftung zu erhalten.

Es ist ein Projekt, was gesamtheitlich überzeugt, es ist ein Ort mit besonderer Geschichte, der sich nachhaltig und zukunftsfähig aufgestellt hat. Im Ergebnis auch ein starker, komplexer Ort hoher atmosphärischer Dichte, der für die Besucher, die Erwanderer, die Nachhaltigkeit glaubwürdig verständlich macht und teilweise regelrecht erklärt.

Diese Erfahrung teilen auch die unterschiedlichen Besucher, es muss so sein, die zur Falkenhütte gewandert sind und ihren Aufenthalt dort sehr geschätzt haben und breit aufgestellt für dieses Projekt votiert haben, denn … die Falkenhütte erhält eben auch noch den Publikumspreis des Wettbewerbs.

Die Jury gratuliert allen Beteiligten, denn es war ein gemeinschaftliches Projekt, eine große gemeinschaftliche Anstrengung über mehrere Jahre, sehr herzlich und ich kann nur jeden hier Anwesenden anempfehlen da auch mal hochzuwandern: Wir hatten`s wunderbar.

alkenhütte constructive alps 2022
Fotografie: Wei Ling Khor
alkenhütte constructive alps 2022
Fotografie: Wei Ling Khor
Falkenhütte Constructive Alps
Fotografie: Wei Ling Khor

Nominierung 2022:
Die Generalsanierung der Falkenhütte

Was ist das Besondere an diesem Projekt? Durch das Projekt „Generalsanierung Falkenhütte“ wurde die Chance genutzt, eine historisch, künstlerisch und kulturell bedeutende und gleichzeitig eine der höchsten Schutzhütten des Alpenvereins im Karwendelgebirge in seiner ursprünglichen Gestaltung herauszuarbeiten und wieder präsentieren zu können. Durch die notwendige technische, bauliche und räumliche Neustrukturierung des Standortes wurde es möglich die Urhütte wieder ins Zentrum des Standortes zu rücken. Die neuen Baukörper fügen sich zurückhaltend in die hochalpine Landschaft ein und ordnen sich dem Denkmal unter. Alle drei Bauphasen (1923, 1960 und 2020) bilden, Innen wie Außen, durch die jeweils zeitgemäße Ausstattung und die Verwendung von heimischen Materialien (Stein und Holz) ein harmonisches Ganzes und orientieren sich bewusst an der Tradition des ländlichen Bauens. Die handwerkliche Qualität wird vor allem in den feinausgearbeiteten Bau-und Ausstattungsdetails dokumentiert und fortgeführt.

Bauherrschaft: Sektion Oberland des DAV e.V
Baukosten: € 6.5 Mio.

Projekterläuterungen

Städtebauliche Idee:
Um die notwendige Trennung der Gastbereiche von den Betriebsabläufen zu gewährleisten, wurde die natürliche Geländeform für die Positionierung der Gebäude maßgeblich mit einbezogen. So wurden für den Besucher die Erholungs- und Erlebnisräume, wie Terrassen und äußere Erschließungsflächen, dem überwältigenden Ausblick auf die Lalidererwände zugewandt. Die Personalunterkünfte, das Technikgebäude und die Anlieferungsbereiche wurden so in die vorhandene Geländeform integriert, dass sie nur zu einem geringen Teil sichtbar werden und einen „gewachsenen“, natürlichen Innenhof bilden.

Architektonischer Ansatz:
Die historischen Bauwerke wurden so saniert, rekonstruiert und restauriert, dass sie sowohl Innen wie Außen wieder authentisch ablesbar wurden. Dieser Ansatz der Ablesbarkeit wurde auch bei dem neu zu errichtenden Anbau zeitgemäß weiterverfolgt. Die beiden Ersatzbauten am Standort bilden mit der Falkenhütte ein Ensemble, jedoch wurde ihre gestalterische Ausbildung gem. ihrer Nutzung immer zurückhaltender. Dies wurde im äußeren Erscheinungsbild durch die Wahl der jeweiligen Dachdeckung, wie auch durch deren Einbindung in die gegebene Topografie erreicht. Für die jeweiligen Nutzer konnten die phänomenalen Ausblicke durch entsprechende Fensteröffnungen in Szene gesetzt werden.

Sozialer Mehrwert für das lokale Umfeld:
Durch den Erhalt einer alpinen Infrastruktur, wie dem Stützpunkt Falkenhütte, im Naturpark Karwendel findet ein sozialer Austausch für alle Bewohner der Region durch die bergbegeisterten „Gäste“ aus aller Welt sowie den Mitarbeitern statt.

Konstruktion, Materialkonzept:
Aufgrund der Notwendigkeit, die kurzen Schönwetter-Zeitfenster am Berg auszunutzen, wurde nach den erfolgten Betonarbeiten für den Sockelbereich die Grundkonstruktion der überirdischen Gebäude mit Hilfe von Brettsperrholzelementen mit einem hohen Vorfertigungsgrad errichtet. Dabei wurden die statischen Prinzipien der Urhütte für einen zeitgemäßen Holzbau übersetzt und weiterentwickelt. Für die Außenbekleidungen der jeweiligen Bauteile wurden ortstypische, hochwertige Materialen wie Lärchenholzschindeln, Holzfenster verwendet.

Haustechnik, Klimakonzept:
Der architektonische Ansatz der Ablesbarkeit wurde auch auf das Thema Haustechnik ausgeweitet. So wurde in der Urhütte und in allen Gästebereichen die Ausstattung auf ein Minimum reduziert. Nur in den Funktionsbereichen und den Bereichen für das Personal wurden die notwendigen, zeitgemäßen Einrichtungen umgesetzt. Künstliche Be- und Entlüftung findet nur dort statt, wo sie zwingend notwendig ist. Optisch sollte die Haustechnik möglichst nicht in Erscheinung treten. So wurden einzelne Elemente wie z. B. notwendige Abdeckungen für Lüftungsüberströmöffnungen gleichzeitig als Leuchtenschirme genutzt.

Innovation, Beitrag zur Entwicklung der Nachhaltigkeit:
Um den Charakter eines hochalpinen, einfachen, innovativen Stützpunktes weiter zu entwickeln wurden Ausstattungskonzepte aus dem Bestand aufgenommen und zeitgemäß weiterentwickelt. So wurde z. B. ein ursprünglicher Trockenschrank am Kamin im neuen Schlafgebäude so umgesetzt, dass zusätzlich unerwünschte Gerüche direkt nach Außen abgegeben werden. Auch eine Leuchte mit einem Leuchtenschirm aus Holz in Enzianform wurde so übersetzt, dass sie als Porzellannachbildung die drei Gasträume stimmungsvoll in Szene setzt und optisch miteinander verbindet.

Sanierung der Falkenhütte

Die Sanierung der Falkenhütte sorgt dafür, dass die Vergangenheit zum 100 jährigen Jubiläum der Grundsteinlegung wieder erlebbar wird – zu mindestens in Teilen.  Viele Bergwanderer werden dann überrascht sein, wenn in vielen architektonischen Belangen der ursprüngliche Charme der Hütte wieder einkehrt.

Insgesamt ist das ambitionierte Unterfangen keine einfaches, da die Falkenhütte aufgrund ihrer alpin-geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung vom österreichischen Bundesdenkmalamt unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Die Falkenhütte der Sektion Oberland gilt als eines der größten Hüttenbauprojekte des Deutschen Alpenvereins, die auf 1848 m am Fuß der Lalidererwand gelegene Hütte, steht größtenteils wird für insgesamt 6,3 Mio. € generalsaniert.

Zum Saisonstart 2020 ist geplant das neue Gebäudekomplex feierlich zu eröffnen und das gesamte Ensemble in Betrieb zu nehmen.

Ziel für die Nutzung ist die Gesamtzahl der Schlafplätze (148 zzgl. Winterraum) nicht zu erhöhen, aber allen Bergsteigern auch einen Platz in der Gaststube zu bieten.

Neben Denkmalschutz und zahlreichen Behördenauflagen sorgen die baulichen Maßnahmen zur notwendigen Substanzerhaltung:

  • Die Urhütte – das Herzstück der Falkenhütte – bleibt bestehen. Hier werden Schäden repariert, und die Stube wird im Sinne des Denkmalschutzes restauriert.

Der Hauptbaukörper bleibt in seiner Form und Gestaltung unverändert, lediglich Bauwerksschäden werden behoben.  Auch die große ursprüngliche Stube mit ihrer Wandtäfelung, dem ganzen Mobiliar sowie dem gemalten Wandfries bleibt erhalten und wird fachkundig restauriert. Im Hinblick auf eine denkmalgerechte Sanierung und eine harmonische Bestandserweiterung erfolgt dies jeweils in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt.

Da die jetzige Energiezentrale aufgrund des öffentlichen Stromanschlusses nicht weiter gebraucht wird, wird sie abgebrochen und ordnungs- und auflagengemäß entsorgt. An gleicher Stelle entsteht der Ersatzbau des bisherigen Horst-Wels-Hauses, das aus baulichen und brandschutztechnischen Gründen ausgedient hat und abgerissen wird.  und damit ein neues, deutlich verbessertes Schlafgebäude.

Ein Ersatzbau wird an der Stelle der alten Energiezentrale errichtet. Das Horst-Wels-Haus muss aufgrund brandschutztechnischer Auflagen abgerissen und neu errichtet werden. Dieses wird sich jedoch – ebenso wie der neue Funktionstrakt – in seinem Erscheinungsbild der Urhütte unterordnen. Im Anschluss an die Sanierung werden dann die notwendigen Renaturierungsmaßnahmen umgesetzt.Ausführliche Informationen zu der Geschichte der Falkenhütte finden sie hier.